Link zur Seite versenden   Ansicht zum Drucken öffnen
 

Bargteheide 1925

Frauenleben auf dem Lande

Wenn Frauen nicht gerade aus wohlhabenden Verhältnissen kamen, mussten sich viele in der Zeit zwischen Jugend und Verheiratung als Dienstmädchen oder Magd verdingen. Die meisten Mädchen vom Dorf gingen in sehr jungen Jahren „in Stellung“ und blieben dort, bis sie einen Ehemann gefunden hatten. Sie mussten in einem fremden Haushalt Dienst tun, weil ihre Familie den Lebensunterhalt nicht mehr aufbringen konnte, oder weil die für eine Heirat notwendige Haushaltsführung erlernt und die Aussteuer verdient werden musste. 

Der Alltag war geprägt durch körperliche und soziale Belastungen: Die Arbeit begann morgens um 6 Uhr und endete nicht selten gegen 22.00 Uhr. Die Mädchen übernahmen alle Haushaltsarbeiten – vom Heizen der Öfen über das Wäschewaschen, Putzen bis zum Kochen und Servieren von Mahlzeiten. Nur einmal pro Woche durften sie das Haus verlassen, meist für kurze Ausgänge. Der Verdienst bestand aus frei Kost und Logis und geringen Geldbeträgen (z. B. 30 Taler/Jahr für Küchenmädchen). 

Dienstherrschaften konnten Dienstmädchen leicht entlassen (z. B. bei „Ungehorsam“), während Mädchen nur mit drei Monaten Vorlauf kündigen konnten. Besonders schwer war das Leben für diejenigen, deren Dienstherren unausgesprochene sexuelle Erwartungen an sie hatten.

Hinrich Lohse

17. Februar 1925: Mit der Aufhebung des Parteiverbots und der Neugründung der NSDAP wird in Schleswig-Holstein der organisierte Aufbau der NS-Herrschaftsstrukturen zu einer Propaganda- und „Wahlkampfmaschine“ systematisch betrieben. Motor ist Hinrich Lohse (1896-1964), der schon am 01. März 1925 von Hitler zum Gauleiter in Schleswig-Holstein bestimmt wird und dieses Amt bis 1945 innehat.

Lohse wird als biederer, fleißiger Kleinbürger charakterisiert, der als holsteinischer Bauernsohn und kleiner Bankangestellter den Aufstieg zum NSDAP-Spitzenfunktionär und später zum Oberpräsidenten schafft. Er spricht Platt, sein Weltbild beschreiben Historiker als einfach strukturiert: antisemitisch, antidemokratisch, völkisch-nationalistisch. Durch Lohses robustes Wirken in Schleswig-Holstein ist die „NS-Bewegung“ extrem erfolgreich. In Bargteheide wird 1928 eine der frühen NSDAP-Ortsgruppen gegründet. 1932 erzielt die NSDAP 50 Prozent der Stimmen im „Mustergau“. Lohses politischer Einfluss reicht über seine Mittelsmänner im Kreis und in der Gemeinde bis hinein in die Bargteheider Dorfpolitik.
Als Reichskommissar Ostland ist Lohse 1941-1945 für Einweisungen in Ghettos, Massenerschießungen und Vergasungen von Zigtausenden Juden – auch deportierten aus Schleswig-Holstein - verantwortlich.
 

Radio

1924 gründen Mitglieder des Bargteheider Verkehrsvereins eine Ortsgruppe des „Norddeutschen Radio-Klubs“ und geben damit den Anstoß zum Einzug des Rundfunks ins Dorf. Man braucht eine Genehmigung, will man die Beiträge des gerade gegründeten Hamburger Rundfunksenders Norag (Norddeutsche Rundfunk AG) mit einem Apparat drahtlos telefonisch empfangen. 

Im Deutschen Reich herrscht ein regelrechter Funker-Hype. So preist der „Oldesloer Landbote“ im Februar 1925: „Ohne Radio geht es bald nicht mehr, das Neueste, praktisches Wissen, wertvolle Unterhaltung, belehrende Vorträge, Notierungen, Wissenswertes für den Landmann und den Kaufmann, Konzerte, Theaterstücke usw. bringt täglich der Hamburger Rundfunksender.“ 

Es folgt der Hinweis auf ein Inserat von C. Schultz aus Steinhof-Reinfeld. Der bietet eine Röhrengerät-Anlage für 80 Mark an: Apparat inklusive Lampe, Batterien, Hörer, Antenne, Blitzschutz und Leitungen. 

Die monatliche Gebühr an die Reichstelegraphen-Verwaltung beträgt 2 Mark. All das ist kein billiges Vergnügen. Wie viele Haushalte werden sich das in Bargteheide geleistet haben? 

1925

Das gesellschaftliche und gesellige Leben im Dorf Bargteheide ist 1925 lebendig und vielfältig. Aber ausgelassene goldene Zwanziger Jahre dürften es nicht gewesen sein angesichts der krisengeplagten Landwirtschaft mit allen sozialen Folgen. Etliche Lokalitäten sind beliebte Treffpunkte etwa für vaterländische Abende samt Konzert oder Theateraufführung und anschließendem Ball. In Hinrich Filters Gasthof, betrieben von Chr. Krohn (heute Rewe), findet die große Bargteheider Preismaskerade des Gesangvereins Rauchklub statt. Dort trifft sich auch der Verkehrsverein, werden Militär-Konzerte gegeben. Adolf Ahlers Gasthof „Zur Schleswig-Holsteinischen Eiche" in der 1. Bahnhofstraße 30 (heute Rathausstraße Bäcker Junge) ist Anlaufstelle für den TSV. Der Hit in August Petersens Gasthof am Pferdemarkt ist eine Jazz-Band-Kapelle, die zum Tanz aufspielt. Im Schützenhof von Joachim Düßler in der Jersbeker Straße tagt der Männergesangsverein, dort findet der Monats-Apell des Stahlhelms statt, außerdem gibt es immer mal wieder Versteigerungen. Bei Adolf Relling im Gasthof „Zur Sportklause" Am Markt 6 trifft sich der Handwerkerbund und der Landwesens Verein. Kulturell und republikanisch aufgestellt ist der Gasthof „Unter den Linden" von Albert Ehnert. Sein Kino „Linden-Lichtspiele" in der Hamburger Straße 3 ist ein Vorläufer unseres Kleinen Theaters.

Bahnhof Bargteheide

Anfang 1925 hält der Verkehrsverein Bargteheide e.V. seine Generalversammlung ab und berichtet über alle ihn interessierenden Themen: Eisenbahn, Straßen, Fernsprecher, Rundfunk. Es wird über den Service der Bahn geklagt – die Lübeck-Büchener-Eisenbahn (LBE). Der Arbeiterfrühzug ist wegen Unrentabilität abbestellt worden. Weitere Fahrplanwünsche seien von der LBE wegen „technischer Schwierigkeiten“ angeblich nicht umsetzbar, die Heizung im 8-Uhr-Schulzug macht Probleme. Erfreut ist man hingegen über die Instandsetzung der Grünanlagen am Bahnhof

Dann sind es die Bargteheider Straßenverhältnissen, die Grund zur Klage geben. In besonders schlechtem  Zustand befindet sich der Fußsteig in der Wurth. Eine eigens eingerichtete Kommission soll dafür sorgen, „daß Bargteheide in absehbarer Zeit die seiner Größe und Bedeutung entsprechenden gepflegten Straßen haben wird.“ Sodann erregt das „rücksichtslose Befahren der Fußsteige mit Hundekarren u.s.w.“ die Gemüter. Dagegen werde die Polizei künftig einschreiten.

Der Verkehrsverein kümmert sich aber auch um die Fernsprecher, verlangt, dass am Bargteheider Postamt die Fernsprechdienststunden verlängert werden und der nächtliche Unfallmeldedienst wieder eingeführt wird. Außerdem wünscht man „öftere Briefbestellung“.

Dass 1925 der Rundfunk in Bargteheide Einzug halten kann, ist Mitgliedern des Verkehrsvereins zu verdanken. Sie hatten dafür eine Ortsgruppe des Norddeutschen Radioklubs gegründet.

 

Inventur-Ausverkauf

„Die Qualitäten sind erstklassig – die Preise fabelhaft billig“, versprechen Kleinanzeigen im  „Oldesloer Landboten“, Januar 1925. Es ist „Inventur-Ausverkauf“, eine Art Winterschlussverkauf. Im Dorf, Versorgungszentrum auch für die umliegenden Orte, gibt es in der Jersbeker Straße mehrere Kleinunternehmen, die Kleidung, Wäsche und Stoffe verkaufen. Etwa Gustav Schulze, Hölty, das Manufakturgeschäft Heinrich Allwardt;  andernorts Hans Bruhns oder Hans P. Wilken. Bei Letzterem kostet eine Lederhose 4,95 Reichsmark, Herren-Socken gibt es für 40 Pfennige und einen Anzug für 18 Reichsmark.  

Oldesloer Landbote

Die Geschichtswerkstatt hat sich ein Jahresmotto gegeben: „Bargteheide 1925 – das Leben vor 100 Jahren“. In lockerer Folge sollen kurze Beiträge zu politischen, wirtschaftlichen und sozialen Themen im damaligen Dorf recherchiert und nach und nach in den Sozialen Medien veröffentlicht werden. Betrachtet werden das Alltagsleben, die Menschen, Orte und Ereignisse im Dorf. Damals, 1925, in einer politisch und wirtschaftlich herausfordernden Umbruchzeit. Die junge Demokratie der Weimarer Republik gerät von einer Krise in die nächste. Die politischen Ränder – hier Kommunisten, dort völkische Nationalisten - radikalisieren sich. Wie ist die Dorfgemeinschaft mit diesen Umständen umgegangen? Kann uns die Betrachtung der Bargteheider Geschichte heute noch etwas lehren?

Veranstaltungen